Freitag, 11. März 2011

Verführung


Schon wieder klingelt das Telefon. Nicht jetzt! Wenn er es ist, erst recht nicht. Er würde wissen wollen, ob wir uns sehen können. Und ich müsste lügen. Ich müsste sagen, ich hätte viel zu lernen oder dass es mir nicht gut gehe. Ich lüge ihn nicht gerne an. Darum lass ich das Telefon weiter klingeln und warte bis er auf den Telefonbeantworter spricht. Er fragt, wo ich bin und wieso ich mich nicht melde. Danach will er noch irgendetwas vom heutigen Abend erzählen, doch ich verschwinde in die Küche, um seiner Stimme zu entkommen.

Ich merke, dass ich spät dran bin. Ich schnappe mir meine Zigaretten, mein Handy, einen Lippenstift und werfe alles in meine Tasche. Danach renn ich aus dem Haus. Ich schalte mein Handy ein. Unzählige Mitteilungen erscheinen auf dem Display. Er hat zwölf Mal angerufen und eine Mitteilung hinterlassen. Nathalie will wissen, ob ich heute ins Saratoga komme. Andere wollen wissen, wie es mir geht oder ob ich weiss was wir für Aufgaben haben. Ich steck das Handy wieder in die Tasche. Die sind mir alle so egal.

Einmal in der Bar angekommen suche ich aufgeregt sein Gesicht. Elias sitzt hinten in einer Ecke. Ich gehe auf ihn zu und er erhebt sich. Er gibt mir einen Kuss, der weder auf meine Lippen, noch auf die Backe geht. Ich setzte mich neben ihn hin. Er legt seine grosse schwere Hand auf meinen Oberschenkel und schaut mich prüfend an. „Bist du immer noch mit diesem Typen zusammen?“ Ich nicke kurz und stehe sofort auf, um mir etwas zu bestellen. Doch er zieht mich heftig am Arm und zwingt mich auf die Bank zurück. „Sag mal, was willst du mit dem?“ Ich schaue ihn genervt an und verstehe nicht, was diese Frage soll. „Ach egal. Ich würde es ja eh nicht verstehen. Was willst du trinken?“ Bevor ich ihm antworten kann, steht er schon an der Bar.

Manchmal frage ich mich, warum ich mir das antue. Die sind doch alle gleich. Sie wollen alles wissen, aber können nicht zuhören. Doch eines muss man ihnen lassen: Wenn sie gut aussehen, dann sehen sie wirklich bombenmässig aus. So auch Elias. Mit seinem Halbbart, seinen vollen Lippen und der Zigarette im Mund sieht er aus wie ein Löwe, der sich gleich auf seine Beute stürzen wird. Er räuspert sich. Ich schaue ihm erschrocken in die grossen Augen. Er lacht und küsst mich auf den Hals.

Seit zwei Stunden plaudern wir über uns und die anderen. Irgendwann will er wissen, wo ich hingehen will. Ich schlage das Saratoga vor, dort sind schliesslich auch unsere Freunde. Er findet das eine mässig gute Idee. Er habe da an etwas anderes gedacht. Als ich nicht darauf reagiere, willigt er ein mitzukommen.

Im Club ist es voll. Wir trinken alle exzessiv und tanzen wie wild. Als ich alleine eine rauchen gehe, begegne ich meinem Freund. Er will wissen, warum ich das Telefon nicht abnehme und mich nicht bei ihm melde. Ich stammle etwas von Stress und Dussligkeit. Irgendwann kommt mich Elias suchen. Ich kriege Panik und winke ihn fort. Er bleibt im Eingang stehen. Mein Freund will, dass ich mit ihm nach Hause komme. Ich will das aber nicht und schrei ihn an. Er geht alleine.

Am Ende will auch Elias, dass ich mit ihm mitkomme. Ich sag ihm, dass das nicht geht – ich habe ja schliesslich einen Freund. Doch dann passiert das Unerwartete: Elias sagt einfach: „OK, dann halt nicht.“ Und dreht sich weg.  Diese Antwort bringt mich völlig aus dem Konzept. Eine solche Antwort will ich nicht. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und sage ihm: „Nimm mich mit!“ 

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